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Die Sprache der Berge – die Ausbildung zu Bergretterin

Es ist schön, dort zu wohnen wo andere Urlaub machen. Ich wohne in Mitten einer gigantischen Bergkulisse auf 1500 Höhenmeter – im Winterparadies. Es ist wunderschön morgens aufzustehen und bei meinem ersten Kaffee die Sonne über den Bergkämmen aufgehen zu sehen. Die frische Luft macht mich wach und ich freue mich jedes Mal, wenn ich diese Riesen aufstehen sehe. Für diesen Anblick nehme ich gerne eine Stunde Autofahrt zu meiner Arbeit in Kauf. „I seg immer, jetzt fahr i wöder in Nebel ahi“ 😉

Doch mit diesem Blick, sehe ich auch jeden Tag wie die Riesen sich verändern. Es schneit, bedeckt wieder die grünen Tannen und Flächen, bis der Wind wieder alles verbläst. Sie stehen immer am gleichen Fleck, aber doch führen sie ihr Eigenleben. Ein Eigenleben, das nicht nur ein paradiesisches Winterwunderland mit sich trägt, sondern auch bedrohlich werden kann. Diese Bedrohlichkeit habe ich schon  früh als Kind miterlebt, sei es aus den Erzählungen meines Enis (Opa) oder dem Lawinenwinter 1999. Anfangs freut man sich als Kind, wenn man nicht zur Schule gehen muss, weil die Straße schließt und auf der Terrasse ganze unterirdische Schlösser aus Schnee gebudelt werden. Doch ich erinnere mich auch gut, als ich das erste Mal aus dem Schlaf gerissen wurde und in wenigen Minuten in meinem Schneeanzug mit meiner Anna Puppe im Arm im Keller stand – damals zitterte der ganze Dachstuhl und wir dachten jetzt kommt sie – die Lawine.


Gott sei Dank war es „nur“ ein Erdbeben.

Mit dem Älter werden, bewegte ich mich immer öfters beim Skifahren im freien Gelände. Ich erinnere mich noch gut an die erste Auffahrt (damals noch mit Skidoo) mit Sepp auf das St. Antönier Joch. Es folgte eine wunderschöne Abfahrt die ich nie vergessen werde. Mit unter war es auch Sepp der öfters mit uns ins Gelände Skifahren ging und später zu mir und Anna, meiner Schwester meinte wir sollen in die Bergrettung kommen. Sepp Braunger war Jahre lang bei uns Ortsstellenleiter. Er war aber nicht nur Bergretter mit Leib und Seele. Er war Berg- und Schiführer und auch der Leiter der Lawinenwarnkommission. Seit gut eineinhalb Jahren sind wir nun Anwärter in unserer Bergrettungsmannschaft unter Leitung von Christian Thöny. Mit jedem Einsatz und jeder Übung freue ich mich mehr über diese Riesen und dem Leben und Umgang mit Ihnen lernen zu dürfen und im Notfall Anderen helfen zu können.

Dieses Wochenende absolvierten wir unter der Kursleitung von Bernhard Bartl unseren Winterkurs auf der Frassenhütte. Freitag ging es im Bergrettungszimmer der Bergrettung Bluden-Bürs los. Vormittags nahmen wir mit Wolfgang Bartl wichtige und interessante Theorie (Stop and Go, Einsatzablauf etc.) durch, während es draußen begann zu schneien. Der Schnee ebnete uns ab Mittag den Weg zur Frassenhütte. Wir starteten mit den Tourenski von der Bergstation.

Oben angekommen ging das erste Programm los. Wir testeten Störfaktoren für ein LVS Gerät. Vor allem der Einfluss eines Mobiltelefons überraschte mich sehr. Egal ob angeschaltet, im Flugmodus oder ausgeschaltet verursachte es eine der größten Störungen auf das LVS Gerät. (Hersteller empfehlen das Mobiltelefon mindestens 20 cm entfernt zu tragen)

Am nächsten Morgen gab es um 7.00 Uhr Frühstück, anschließend wurde mit unserem Ausbildner Johannes Dünser die richtige Tourenplanung (Wetter, Karten lesen mit Kompass, Exposition etc.) besprochen und die Tour für den Tag geplant. Nach einem kleinen und großen LVS und Ausrüstungs -Check starteten wir unsere Tour auf den Hohen Frassen. Während dem kurzen Aufstieg übten und wiederholten wir die genaue Spitzkehrentechnik, dem Gelände angepasstes Spuren und die Zusammenarbeit in einer Gruppe.

 

Oben angekommen eröffnete sich uns eine frisch verschneite Wahnsinns Kulisse mit dem Blick über das Rheintal.

 

Freudig wurden wir von Loui und Milow,  zwei Lawinenhunde (wobei Milow noch in der Ausbildung ist ;-)) , begrüßt. Beide Hunde begleiteten uns den Kurs über. Bernhard erklärte uns den Umgang und Ablauf mit einem Lawinenhund bei einem Einsatz. Die Hunde sind hier höchst konzentriert und angespannt und es herrscht striktes Streichel- und Ansprechverbot. (Es werden aktuell Hundeführer(in) für die Bergrettung gesucht.)

Neben dem Gipfel suchten wir uns einen Platz, wo wir üben konnten. Als erstes stand Schaufeln auf dem Programm. Auch wenn es sich bei den momentanen Schneeverhältnissen unglaublich anhört, wir fanden bis zu zwei Meter Schnee. In einem aufgestellten V bewegten wir ziemlich schnell, eine ziemliche Masse an Schnee. Wir schauten uns das Schneeprofil an und schaufelten ein Loch um anschließend zu sondieren. Wir testeten verschiedene Materialien und Körperteile aus. Ein Skischuh, der sich mit der Sonde sehr hart anfühlt und nicht federt im Vergleich zum Bauch. Oder ein Hüftknochen, der sich ebenfalls sehr hart anfühlt. Ich habe diese Übung schon mehrmals gemacht und lerne auch hier jedes Mal wieder etwas dazu. Anschließend stellten wir eine Mehrfachverschüttung nach, wobei es uns der tiefe Schnee und die Latschen nicht gerade immer einfach machten 😉, doch das sollte es auch nicht sein. Wir hatten uns schließlich die Jause verdient. Marenda with a view….

 

 

 

Nach der Pause kam die Frage auf, was tun wir, wenn sich jetzt einer von uns im freien Gelände verletzt. Mit ein paar Rebschnürle und den Dingen, die wir im Rucksack hatten bauten wir verschiedene Behelfstransportmittel. Den „schönste Knoten Award“ konnten wir damit wohl nicht gewinnen ;-), doch unsere Konstruktionen hielten und funktionierten sehr gut. Hier ein Danke an Johannes unseren Ausbildner, der uns mehrere Tricks und Tipps zeigte. Rebschnürle und ein Karabiner werden in meinem Rucksack nie mehr fehlen.

 

Später fuhren wir gemeinsam ab und ein lehrreicher, toller Tag ging mit einem Blick auf das Nebelmeer zu Ende.

Unser Sonntagmorgen startete sehr aufregend. Für unseren Kurs, kam extra der Helikopter C8 vorbei. Pilot, Notarzt und Flugretter erklärten uns die wichtigsten Dinge die bei einem Einsatz mit Heli zu beachten sind. Einige von uns kamen in den Genuss, den C8 einweisen zu dürfen, wobei der starke Downwash sehr gut zu beobachten war 😉

 

Nachmittags endete unser Winterkurs mit einer gemeinsamen Einsatzsimulierung, bevor wir uns mit Ski und zu Fuß wieder ins Tal bewegten. Als wir gerade aufbrachen, erreichte uns plötzlich die Nachricht, dass bei uns zu Hause eine Lawine im Tal abgegangen sei.

Unser Tag endete von der Übung mit dem Einsatz, der mit unserem Heimkommen, aber schon abgeschlossen war und es Gott sei Dank keine Verletzten gab.

Es war ein tolles Wochenende und ich konnte viel lernen und mein Wissen über unsere Berge ausbauen.

Die Sprache der Berge zu verstehen bleibt für mich jedoch ein Lernprozess fürs Leben.

 

2 Gedanken zu „Die Sprache der Berge – die Ausbildung zu Bergretterin

  1. Vielen Dank für die anschauliche Beschreibung und die schönen Bilder. Das mit den Störsignalen beim LVS-Gerät konne ich auch schon fesstellen. Anscheinend tritt das auch auf, wenn man GoPros oder andere Geräte dabei hat.

    Grüße aus Salzburg,
    Susi

  2. Bin sehr sehr Stolz auf dich meine Linda. Dazu so Toll erzählt! Danke! Deine Mama.

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